Hand aufs Herz, liebe Eltern. Können Sie eine dieser beiden Aussagen abstreiten?
a) Eltern sein ist ein riesen Stress, schlimmer als alles andere, lebensumwälzend, ehezerrüttend, gesundheitsschädlich…
b) Kinder kriegen war das Beste, was Ihnen je passiert ist
Die meisten Eltern stimmen a) und b) gleichermaßen zu, und kriegen nicht sofort Kopfweh ob dieses Widerspruchs.
Der englische Journalist und Autor Shankar Vedantam hat sich des Themas angenommen und in einem kurzen Text (http://www.slate.com/id/2274721/) eine beachtenswerte Parallele von Eltern und Junkies herausgearbeitet. Beide – Drogenabhängig oder Kinderversorger –nehmen größte Mühen auf sich, um kleine Augenblicke des Glücks zu erhaschen. Der entscheidende Punkt, der das Verhalten steuert, ist nicht vorhersehbar: Drogen können mal stärker oder schlechter sein, ihre Wirkung hängt auch von der Tagesform ab. Eltern wissen auch nie, was genau die liebevolle Umarmung kommt, die einen Tag der Frustration (KiGa-Verspätung, Wutanfälle des Schrats, beschädigte Möbel, Kampf gegen die Quengelware…) auf einmal vergessen macht.
Außenstehende können das nur schwer verstehen, wenn ihnen ein moderat kreischendes Kleinkind im Zugabteil den letzten Nerv raubt. Wie kann man nur Kinder haben. Sogar mehrmals! Haben denn die Leute nicht nach dem ersten die Schnauze voll?
Genau so wenig wie ein Junkie nach dem ersten Schuss. Als Verdächtigen für die biochemische Komponente der Sucht nach Kindern macht Vedantam das Hormon Oxytocin aus, das eine Art Gegenspieler zum Testosteron in. Testosteron macht männlich (siehe drei Blogeinträge zu diesem Wunderzeug), Oxytocin ist als „Kuschelhormon“ bekannt. Es wird beim Stillen und nach dem Sex ausgeschüttet und ist – Überraschung – bei Eltern höher konzentriert. Oh, und es kann Bettnässen verhindern.
Obwohl die empirischen Belege für diese These noch ausstehen, finde ich die These nicht so abwegig. Hoch interessant finde ich allerdings einen Umkehrschluss: ist vielleicht das menschliche Suchtverhalten ein Fehleinsatz des Brutpflegeinstinkts?
Stoff für tiefschürfende Gedanken, wenn ich meinem kranken Kind zum dritten Mal in einer Nacht die Bettwäsche wechseln muss.
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