Lernen Kinder besser mit oder ohne Lehrer?

Die Schuldebatte wird in vielen Bundesländern hitzig geführt. Meistens geht es um die Frage, wann man die Kinder auseinanderdividieren soll - die Guten aufs Gymnasium, den Rest in die Real- oder Hauptschule. Eher selten wird auch überlegt, wann man mit dem Unterricht anfängt. Die Frage ist aber gar nicht so einfach zu beantworten. Soll man schon im Kindergarten - oder in der Krippe - mit dem formellen Lernen anfangen, also mit einer Lehrer-erklärt-Kind-Struktur der Wissensvermittlung?
Viele scheinen der Meinung zu sein, dass man kaum früh genug damit anfangen kann. Klaro muss ein Kind auch spielen, aber es kann doch nur von Nutzen sein, wenn es dabei angeleitet wird - so wie Radfahren mit Rückenwind schneller geht und weiter voran bringt.

Nun werfen zwei aktuelle Studien aber Fragen auf. Es scheint, dass dieses formelle Lernen auch Nachteile hat. Nein, nicht dass die zwarte Kinderseele kaputt geht oder so - darauf wird jeder halbwegs schlaue Pädagoge schon achten. Sondern in der Art und Weise, wie das Kind die Information entdeckt. Kurz gesagt: wer unterrichtet wird, ist nicht so neugierig, und entwickelt nicht die geistigen Werkzeuge, kritische und kreative Fragen zu stellen.
Zwei Unis in den USA haben dazu geforscht - das MIT und die UC-Berkeley. Sowohl an der Ost- als auch an der Westküste gaben Vierjährigen ein Spielzeug in die Hand. Manchen wurde eine von mehreren Spielfunktion explizit gezeigt, bei anderen stellte sich der Testleiter blöd und tat so, als entdeckte er die Spielfunktion zufällig. Dann wurde den Kindern das Ding in die Hand gegeben, und ihre Fortschritte festgehalten. (eine englischsprachige Zusammenfassung bringt Slate.com)

Wer sich jetzt denkt: die Vierjährigen werden sicher durchschaut haben, wenn ihnen was vorgespielt wurde, der liegt vielleicht nicht verkehrt. Mein Brainbug hätte großen Spaß daran gehabt, dem Leiter auf die Schliche zu kommen. Aber das ist genau der Knackpunk an den Erkenntnissen (oh, muss ich es erwähnen: die Kinder, denen explizit gezeigt wurde, entdeckten weniger Spielfunktionen. Kinder, denen der Leiter das zufällige Entdecken vorspielte, experimentierten mehr rum und fanden mehr Funktionen. Duh!): offenbar lernen Kinder, wie ein "Lehrer" funktioniert, dass er ihnen nämlich alles wissenswerte zeigt. Kein Grund zum selber suchen. Wenn es keinen Lehrer gibt, dann allerdings lohnt sich das Herumexperimentieren.

Also: kein Leherer=Instant-Nobelpreis in Chemie? Nicht ganz. Ein weiterer Test zeigte nämlich noch etwas auf: Wieder gab es ein Spielzeug, wieder wurde durch den Leiter einmal erklärt, einmal "entdeckt". In diesem Fall aber löste eine Reihe von Handlungen (Drücken-Drehen-Ziehen etwa) manchmal eine Reaktion aus, : Musik. Immer ein guter Anreiz. Der Clou: der Leiter vollführte jeweils drei Handlungen, es waren aber immer nur die letzten beiden nötig. Würden die Kinder das herausfinden?

Es stellte sich heraus, dass diejenigen , welche die Handlungsfolge erklärt bekommen hatten, diese schnell und effektiv nachmachen konnten. Die anderen Kinder aber - die keinen Unterricht bekommen hatten und das Spielzeug auf eigene Faust entdeckten - fanden die Abkürzung und konzentrierten sich auf die zwei letzten Handlungen. Mit anderen Worten: sie fanden den "faulsten" Weg.

Nun bin ich persönlich ein großer Freund der Faulheit. Friedrich der Große konnte den Faulen, Schlauen als Offizier angeblich durchaus etwas abgewinnen. Faulheit macht Effizienz, weil man die beste noch funktinierende Abkürzung sucht. Aber zum Nobelpreis braucht es eben was anderes. Fleiß und Hingabe. Also schlechte Karten für Kinder ohne Lehrer. Auch Amy Chua, (zu Unrecht) als Schlachtensängerin, Mutter von Tigern und Einpeitscherin verschrien, würde mir sicher zustimmen (und für Deutschland scheint das ein geeignetes Modell zu sein, meinen Wirtschaftsexperten. Ich hatte geschrieben.)

Nur wann ist der richtige Zeitpunkt gekommen, wenn die Kinder das Experimentieren und Kreativsein ausreichend gelernt haben und mit Hinblick auf die Aschenputtel-Schwelle ("Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten in die Hauptschule...") mit testrelevantem Wissen gefüttert werden müssen? Dass konnten MIT und UC-Berkley mir auch nicht sagen. Ich werde es mit meinem Sohn selber aushandeln müssen. Und wie immer zieht er mich dabei sicher über den Tisch.
Schlaues Kerlchen.

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