Rezension: Ralph Reicht's (Wreck-It Ralph)

Wer jetzt so um die Vierzig ist (also viele Eltern), der gehört zu der ersten Generation, die mit Videospielen groß geworden ist. Für Leute wie uns ist Raplh Reicht's (Originaltitel: Wreck-It Ralph) gemacht. Naja, und für unsere Kinder auch. Schließlich brauchen wir ja eine Ausrede für so einen Film ins Kino gehen zu dürfen.
Eigentlich hatten wir für den Tag einen anderen Film geplant, aber daraus wurde nichts, und so standen wir vor der Kinokasse, einen quengeligen Fünfjährigen an der Backe, und versuchten einen Ersatzfilm auszuwählen. Wreck-It Ralph hatten wir im Vorfeld eigentlich ausgeschlossen, weil viele Kritiken bei Rottentomatoes ziemlich mau waren. Aber, da an diesem Sonntagnachmittag im Kino, war er die beste Wahl - die nächste Vorstellung fing zehn Minuten später an. Also haben wir uns dafür entschieden.
Gute Wahl.
Hätte mir gleich klar sein sollen, wenn ich mal den Namen des Produzenten geprüft hätte: John Lasseter (Wall-E, Ratatouille, The Incredibles, Toy Story...)

Trailer und Bilder auf der Site des Films werden ihm nicht gerecht, finde ich. Sie lassen es wirken, als wäre er ein Gag (Computerspielfiguren leben!) mit dünner Handlung (Bösewicht ist seinen Job leid und versucht eine neue Karriere). Ausgedehnt auf 100 Minuten mit albernem Humor und gesetzt in knalligen Farben hätte das eine Tortur für jeden Erwachsenen sein können.

Wie bei vielen von Lasseters Werken auch ist die Handlung sehr viel tiefer strukturiert. Ralph ist nur eine der Hauptfiguren, die andere - eine Göre namens Vannelope - hat ihrerseits ein Mobbing-Problem. Die schicken Mädchen-Rennfahrer in ihrem Spiel geben ihr keine Chance auch nur ein einziges Mal mitzufahren. Vannelope ist alleine, aber dickköpfig genug, sich von nichts aufhalten zu lassen. Auch das hätte in den Händen von schlechteren Filmemachern schief gehen können - ich könnte mehr Filme mit nervtötenden Super-Kinder-Außenseitern aufzählen, die an ihren unerträglich gut gelaunten Hauptfiguren scheitern. Aber Lasseters Team setzt beide Hauptfiguren behutsam und glaubwürdig in Szene, lässt sie nachvollziehbar, menschlich und sympathisch Handeln, und bevor man es sich versieht fühlt man mit, drückt ihnen die Daumen und fiebert mit. Handlung und Gefühle sind Lasseters Stärke (erinnert ihr euch an Wall-E?)

Vor diesem Hintergrund kann "Ralph Reicht's" dann seine zweite Stärke voll ausspielen: die Hommage an die Videospiele der 80er und 90er Jahre. Viele (vor allem männliche) Eltern dürften lange Stunden ihrer Kindheit mit Atari, C64, Amiga und anderen frühen Spieleplattformen verbracht haben. Ich behaupte, dass 80 Prozent der Gags in diesem Film nur funktionieren, wenn man die gezeigten Computerspielfiguren so intensiv erlebt hat. Vielleicht erklärt das die schlechten Kritiken auf Rottentomatoes - die Kritiker waren zu alt, oder zu jung, oder hatten das falsche Geschlecht (täuscht es mich oder sind Mädchen selten Hardcore-Gamer?).

Sogar mit einem professionellen Team von Gag-Writern wäre dieses Konzept nicht genug für eineinhalb Stunden Spaß. Wie oft kann man Witze über Q-Berts "Grawlix"-Sprache reißen? Sicher nicht abendfüllend. Aber hier kommt der dritte Trumpf ins von Disney/Lasseter ins Spiel: liebevolle Kleinarbeit und Erfahrung in der Komödie. Es sind Dinge wie die eigenwillige Animation der "Nicelander", die an 8-bit Grafiken erinnert, die Kombination der Hommage an Filme wie Star Ship Troopers und Spiele wie Call of Duty, die mich sogar die deutsche Fassung des Films (ohne Sarah Silvermans Wortwitz also und mit dem üblichen Problem, dass diese Art von Filmen von Komikern geschaffen wird - aber von Germanisten übersetzt) genießen ließen. Meinem Fünfjährigen hat er auch fantastisch gefallen, und dabei hat der noch nie ein Computerspiel in Action gesehen. Er hat sich auch nicht vor den allesverschlingenden "Bugs" gefürchtet, die ich persönlich schon ziemlich gruslig fand.

Also, wenn jetzt kalte und regnerische Tage ins Haus stehen und ihr nach einem Programm für glückliche Kinder sucht: dieser Film ist geeignet. Aber zur Begleitung schickt Papa ins Kino. Der Film ist für ihn.

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