Die ersten sieben Tage nach der Einschulung: Monster

Gestern Nacht habe ich eine halbe Sunde lang am Fuß meines Bettes gesessen, um Geister fern zu halten. Mit einem albernen Steampunk-Reißer ist das nicht schwer, man verträgt es dann viel einfacher, dass der Haushalt darauf wartet gemacht zu werden und man selber auch noch irgendwann ins Bett will. Aber die Geister gehen vor.

Irgendwann konnte ich hören, dass mein Sohn gleichmäßig atmete, und stahl mich davon. Er schlief tatsächlich, und hatte zum Glück keine schlimmen Träume. Als ich zwei Stunden später ins Bett wollte, trug ich ihn in sein Bett (und in der Früh musste ich ihn wieder aus meinem schubsen, ich nehme an von seinem Zimmer in meines gibt es ein Gefälle.) Er hatte die Geister vergessen, die ihn am Abend so geängstigt hatten. Auch das Bauchweh war weg. Er war bereit für den nächsten Schultag, Nummer acht. Wollen wir hoffen, dass ich nicht bis zum Abitur Monsterdienste verrichten muss. Woher aber kommt der neue Bedarf nach diesem Papa-Service?
Bisher hat sich mein Brainbug ja eher durch zwei Eigenschaften ausgezeichnet: Grips und Furchtlosigkeit. Fukushima hat ihn ein paar Tage aus der Bahn geworfen, aber abgesehen davon begegnet er allen realen und fiktiven Bedrohungen der Welt mit der pöbelhaften Bravado, die Sechsjährigen eben zu Eigen ist. Die Schule aber ist offenbar eine Herausforderung, die sich nicht sofort verkraften lässt.
Es zeigt sich bei ihm eine typische Schulangst, wie mir scheint, aufgehängt an den Ansprüchen, die er an sich hat. Von wem er diesen Ehrgeiz geerbt hat wissen Mama und ich nicht, aber Vorbilder aus dem Freundeskreis, die eine Klasse überspringen durften, könnten ihm den Eindruck vermittelt haben das sei normal, zumindest für schlaue kleine Jungs. Die Realität des Schulbetriebs ist natürlich eine andere. Der Grips zählt nichts, nur Fleiß und Fügsamkeit. Es ist ein neues Regelsystem, das im ersten Augenblick ziemlich zwickt und beißt. Später auch.

Ich bin ehrlich gesagt überrascht, dass es nicht schlimmer ist - Mama und Papa sind einigermaßen cool, dabei hat uns die Schulpflicht gerade unser halbes Kind weggenommen. Oder zumindest fühlt es sich so an. Sechs Jahre lang war er unsere Verantwortung, aber es war eben auch unser Recht seine Entwicklung zu fördern wir es richtig schien. Familienurlaub im November? Kein Thema. Papa darf das.

Das ist jetzt vorbei. Ich kann nicht einmal behaupten, dass es falsch wäre. Sich an unangenehme Prozesse zu halten und in Institutionen zurecht zu finden gehört zum Leben, das ihn erwartet. Es redet sich leicht vom selbstbestimmten Lernen und Leben, aber gefordert wird später etwas anderes. Die Geister unterm Bett sind nicht Fantasie, sondern Abstraktion: die Zwänge eines Lebens, die sich (langsam, behutsam aber unaufhaltbar) manifestieren. Ich kann mich an das Fußende des Bettes setzen und Wache halten so viel ich will - verschwinden werden sie nicht.

Aber mit Papas Hilfe kriegt mein Brainbug auch das hin. Und vice versa.

Bilder: von Mell P und Pascal Wiemers

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