Wie ich mit meinen Kindern die Flüchtlingsunterkunft besucht habe.

Zwei kleine Jungs laufen durch den Container, zwei und vier Jahre alt vielleicht. Sie haben beide einen Löffel in der einen Hand, einen leeren Fruchtzwerg in der anderen, und weiße Jogurthklekse im Gesicht. Sie blicken neugieren zu meinen beiden Kindern hinüber, dann kommt der kleinere der beiden, sehr lebhaft und offenbar gut gelaunt, gerannt. Er stellt sich ganz nah vor meine dreijährige Prinzessin und spricht sie an. Laut. Ziemlich laut. Wie kleine Kinder so halt sind. Ich habe keine Ahnung in welcher Sprache - vermutlich eine Afrikanische, gefiltert durch das Sprachvermögen eines Zweijährigen. Meine Prinzessin ist verstört, weicht zurück. Er bleibt ihr auf den Fersen; offenbar hat er einen tollen Vorschlag gemacht und will eine Antwort hören. Ihr großer Bruder steht wachsam daneben, aber die Prinzessin hat genug. Sie reckt die Arme zu mir, lässt ein gestresstes Quäken hören. Ich nehme sie in die Arme, in die rettende Höhe. Später erklärt sie mir ihre Sorge: "Ich habe den nicht verstanden, was der sagt. Ich habe gedacht der will mich hauen."
Für alle Besorgten:
auf der Rückseite steht in
genau so vielen Sprachen "Geschlossen"
Damit umschreibt sie einen Grund für die Ängste vieler Menschen. Was man nicht versteht beunruhigt einen. Auch ein Grund dafür, dass ich mit meinen beiden Kindern an einem Samstagabend die örtliche Flüchtlingsunterkunft besuche. Der andere ist ein iPad, den ich gewonnen habe und wie versprochen gespendet. (Er war der Preis des Blogstöckchens der IUBH Fernstudium, und dass er jetzt für den Sprachunterricht eingesetzt wird ist eine nette Wendung.)
Ich hatte mich also mit einem Verantwortlichen der Helferinitiative verabredet, oder vielmehr hatte er mit gesagt dass ich einfach vorbei kommen soll, er sei 20 Stunden in der Woche vor Ort. Was mich zu dem Punkt bringt, der mich am meisten fasziniert: die schiere Zahl der Helfer, die sich hier an der Flüchtlingsarbeit beteiligen. Ich habe auch schon ein Jobangebot: mit den Kindern spielen (das Spielzimmer darf nämlich nur in Aufsicht benutzt werden, was ich völlig nachvollziehbar finde. Meine Prinzessin darf man auch nicht mit allzu lange alleine lassen, weil sie auf ganz kreative Ideen kommt.)


Wie eine WG. Nur größer.

Ich war also neugierig. Jeden Morgen fahre ich an der Containersiedlung vorbei, jeden Morgen kommen mir auf dem Weg zum Kindergarten sieben, acht junge Männer auf Fahrrädern entgegen, die dort leben. Es war ein aufschlussreicher Besuch. Die Unterkunft selber hat mich sehr an meine Studenten-WG erinnert (auch was die Sauberkeit angeht. Wir waren nicht super sorgfältig, und es galt das traurige Motto "Was allen gehört, darum kümmert sich keiner"). Sie war ruhig, und friedlich, fast ein bisschen langweilig in ihrer Nettigkeit ("Wir sind eine Vorzeigeeinrichtung", versicherte mir mein Ansprechpartner).


Smartphones und Computer

Drei gemeinschaftlich genutzte Zimmer haben wir besucht: eine Fahrradwerkstatt, einen Arbeitsraum mit Computern und das TV-Zimmer. Der LG-Fernseher mit 100 cm Diagonale war eine ganz neue Spende. Jeden Abend werden DVDs angeschaut. Erdnüsse, Chips und Salzstangen stehen auf dem Tisch. "Heute bring' ich welche mit", erklärt der Herr von der Initiative.

Die IT-Ausrüstung ist nicht von schlechten Eltern. Ein junger Mann versucht sich auf dem online-S-Bahn-Plan zu orientieren. Ein anderer hat eine Frage; er kennt das Wort "Gewerkschaft" nicht. Der Herr von der Initiative versucht sich an einer Erklärung, dann gibt er auf. "Hol mal dein Smartphone. Mit der Übersetzer-App. Dann sage ich es dir." Welche Sprache der junge Mann spricht, frage ich. "Türkisch, Syrisch, glaube ich." Gut, dass es digitale Babelfische gibt. Und jeder, der sich darüber aufregt, dass Flüchtlinge welche haben, sollte das bedenken. Sie sind das wichtigste Werkzeug, um sich zurecht zu finden.

Was denken die Kinder über die Flüchtlinge?

Aber eigentlich war ich am neugierigsten darauf, was meine beiden Kinder sagen werden. Sind sie ängstlich, verstört, angeekelt, begeistert? Und deswegen möchte ich meinen Bericht aus der Flüchtlingsunterkunft mit ihren Meinungen abschließen, leicht kommentiert aber ungefiltert. 

"Hier riecht es wie beim Inder." - Meinem Achtjähriger war schon immer das Kulinarische wichtig.

"Warum sind hier Pflanzen verboten?" - beim Betrachten der Verbotsschilder für Alkohol, Zigaretten und Cannabis.

"Wo schlafen die?" - die Prinzessin hätte gerne in ein Zimmer geschaut, aber wir wollten niemanden stören.

"Der hat seinen Kopf im Koffer!" - Albernheiten erwärmen das Herz der Prinzessin auch dann, wenn sie von dem Jungen kommen, der ihr zuerst Angst eingejagt hatte.

"So ein Spielzeug habe ich auch." - die Prinzessin (3) entdeckt Gemeinsamkeiten.

"Die waren alle sehr höflich." - womit der Große Recht hatte.

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